Adventskalender – Tag 1

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Ho, ho, ho – es weihnachtet sehr.

Der Dezember ist da und ob wir bereit sind oder nicht, bald ist Weihnachten. Das Schöne ist, wir können uns die Tage versüßen, um den Vorweihnachtsstress zu überstehen. Besonders effektiv: Adventskalender.

In diesem Adventskalender für euch findet ihr jeden Tag ein Kapitel aus meinem Buch “Ein Macho als Muse”

Neues Cover Ein Macho als Muse

Ein zuckerstangensüßer Roman über die Liebe auf den letzten Blick.

Und nun wünsche ich euch viel Spaß mit Kapitel 1:


 

Kapitel 1

 

Caleigh fühlte sich eingekesselt. Das lag wahrscheinlich daran, dass ihre Chefin Elfriede wie ein hungriger Tiger um sie herumschlich.

„Du willst mir also sagen, du hast weder den Mermaid-Plot noch das Ende des neuen Racer-Bandes geschrieben?“

Caleigh rieb sich die Oberarme, denn die Stimme ihrer Chefin war zwar ruhig, hinterließ aber Eisbeulen. „Es ist nicht so, als hätte ich nicht daran gearbeitet …“ Sie holte tief Luft – wie sie diese Gespräche über ihre ausstehenden Auftragsarbeiten mittlerweile hasste.

„Ich fasse mal zusammen – nur für’s Protokoll, meine Liebe“, schnurrte Elfi und zog ihre Kreise enger um sie. „Seit vier Monaten telefoniere ich den Geschichten schon hinterher, du vertröstest mich mit fadenscheinigen Kommentaren und kommst nun mit vollkommen leeren Händen?“

Angespannt tippte Caleigh mit ihrer Stiefelspitze auf dem Boden herum – was genau sollte diese Diskussion bringen? Geschichten lagen nun einmal nicht irgendwo herum. Einen guten Plot zu kreieren, erforderte Geduld, da halfen auch keine Gruppencoachings oder Zwangsurlaubstage.

Das haben wir ja alles schon durch, dachte Caleigh unglücklich. Dabei war Elfriede vor neun Jahren, als sie zur Hauptplotterin des Verlags gemacht hatte, noch gleicher Überzeugung gewesen, dass man gute Plots nicht erzwingen konnte.

„Lass dir eins gesagt sein, Caleigh“, wisperte ihre Chefin nun und kam ihr ganz nah, als wolle sie für die anstehende Jagd Witterung aufnehmen. „Ich habe dieses Unternehmen nicht zu seiner Blüte geführt, indem ich mich zum Narren halten ließ.“

„Das weiß ich“, gab Caleigh eindringlich zurück.

„Dann tu, wofür ich dich bezahle: Denk dir Geschichten für unsere Hausautoren aus, schreib sie auf, schick sie mir und denk dir weitere Geschichten aus.“

Caleigh drehte sich zu Elfriede um; sie ertrug es nicht mehr, den Feind im Rücken zu haben.

Elfi lächelte sie bittersüß an. „Mein Rat: Lass dich endlich von der Muse küssen und fang wieder an, zu plotten. Es ist mir vollkommen egal, wie du dein Genie zurückgewinnst … lass dich richtig gehen, nimm Kontakt zu Aliens auf, heirate, lass dich anschießen … Vollkommen egal. Ansonsten übernehme ich das Ruder – und dann tanzt du nach meiner Pfeife.“

 

 

 

Zwei Monate später.

 

Angenehme Kühle kletterte an Caleighs Beinen hinauf, während sie ihren Wagen über die Gebirgsautobahn steuerte. Der Tag hatte sehr warm begonnen, doch seitdem sie die hochgelegenen Bereiche der Strecke hinunter in die Südpfalz erreicht hatte, fiel das Thermometer ihres Autos stetig ab. Es war wenig los auf den Straßen, aber als sie nun den Hunsrück hinabfuhr, nahm sie den Fuß vom Gas. Eigentlich liebte Caleigh es, ihren Nissan auszufahren, aber jetzt war sie dafür viel zu unkonzentriert.

Was hat Elfi nur mit mir vor?

Seit Monaten hatte sich das Verhältnis zu ihrer Chefin Stück für Stück verschlechtert. Zu Beginn ihres gemeinsamen Weges waren sie einander nicht von der Seite gewichen, hatten nach der Arbeitszeit sogar noch die Abendstunden zusammen verbracht, um zu essen und Pläne für den Verlag zu schmieden. Aber daran war nun nicht mehr zu denken. Der Abstand zwischen Elfriede und ihr war mit den Jahren groß und größer geworden, die Momente, in denen sich die Blicke trafen kürzer, die Bande, die sie hielten, dünner. Caleigh überlegte: Wann habe ich Elfi zuletzt richtig angeschaut?

Mittlerweile war es so kompliziert zwischen ihnen. Enttäuschte Erwartungen auf beiden Seiten. Misstrauen.

Langsam wurde das Gelände neben der Autobahn flacher und die eingebaute Navigation leitete sie auf die A65. Die Felder, die vorbeiflogen, wurden weiter, die Greifvögel auf den Zäunen häufiger, die Farben satter.

Zuerst merkte Caleigh es nicht, aber gerade als sie Richtung Landau Süd von der Autobahn abfuhr, wurde ihr das Gefühl von unerwarteter Sicherheit bewusst. Langsam ließ sie den Blick schweifen. Kilometer weit zogen sich die Weinberge über die hügelige Landschaft. Geordnet, in Reih und Glied standen die knorrigen Reben da und trugen fleißig ihre Früchte. Die Gänge zwischen den Pflanzen taten sich in klarer Linie auf und schlossen sich wieder, wenn der Augenblick vorbei war. Wie lange Tunnel wirkten diese Pfade auf Caleigh, an deren Ende wohl Unergründliches wartete. Und so, wie sich die Wege der Weinberge vor ihr öffneten, so schwang auch in ihrem Kopf eine Pforte auf. Ein Schaudern überkam Caleigh und mit einer Entschlossenheit, die ihr früher immer gehört hatte, atmete sie die viele Wochen alte Beklemmung fort von ihrer Brust. Elfriede hatte vielleicht Schreckliches mit ihr vor, aber sie würde sich nicht kampflos geschlagen geben. Niemals.

 

Caleigh sah sich aufmerksam an diesem friedliebenden Ort um. Das schöne Innenstädtchen des pfälzischen Kurortes war belebt, ein kleiner Markt war für den heutigen Feiertag vor der Kirche aufgebaut worden und ein Chor junger Frauen sang für die anwesenden Kinder Rolf-Zukowski-Lieder, die etwas tief in Caleigh anrührten.

„Ein toller Ort“, sagte sie mehr zu sich selbst. „So lebendig …“

Aber Elfriede antwortete gleich mit ihrer typisch durchdringenden Stimme: „Bad Bergzabern hält sich wacker. Hast du dein Gepäck dabei?“

„Ja“, antwortete Caleigh. „Ich habe es im Auto. Sagst du mir jetzt, was ansteht?“

Elfriede lachte nur.

„Ehrlich, Elfi, du musst mir jet–“

„Meine liebe Caleigh“, schnitt sie ihr das Wort ab, „du bist am Ende meiner Geduld angekommen. Und ich gebe dir nun einen letzten Rat: Fordere dein Glück nicht noch weiter heraus.“

In Caleighs Kopf huschten die Gedanken plötzlich sehr aufgeregt hin und her: „Willst du mich feuern?“

„Sagen wir mal so: Du holst jetzt dein Gepäck, steigst in das Taxi, das ich dir gerufen habe, und lässt dich dahin fahren, wo ich dich für dieses Wochenende haben will.“

„Ansonsten feuerst du mich?“

Elfi antwortete nicht, sondern machte mit der Hand nur eine fordernde Geste. „Gib mir deine Autoschlüssel. Ich fahre deinen Wagen zurück ins Ruhrgebiet.“

Caleigh schluckte, ihr Nissan 350Z war zwar ein Firmenwagen, aber sie liebte ihn dennoch heiß und innig. „Wenigstens darf ich mein Handy behalten“, flüsterte sie und trank den letzten Schluck ihres Latte Macchiatos aus.

 

Caleigh machte auf ihren hochhackigen Stiefeln einen Schritt zur Seite und schlug die Tür des Taxis hinter sich zu.

„Das kann doch nicht dein Ernst sein …“, murmelte sie und starrte zu dem alten Gutshaus hinauf, das sich aus einer hügeligen Landschaft, in der es nichts als grüne Weinberge gab, erhob.

Sie hatte gedacht, Elfi mache einen Witz, als sie ihr kurz vor Abfahrt des Taxis offenbart hatte, dass ihre Reise sie mitten ins Niemandsland an die Grenze zum Pfälzer Wald führen würde.

„Wie soll ich unsere Probleme lösen, wenn du mich ganz aus dem Rennen nimmst?!“, hatte sie ihre Chefin gefragt.

„Wir haben lange genug herumgedoktert“, entgegnete Elfriede nur und gab dem Taxifahrer das Zeichen, loszufahren.

„Elfi!“, Caleigh lehnte sich mit flehendem Blick aus dem Fenster des beigefarbenen Mercedes. „Schieb mich nicht aufs Abstellgleis!“

Der Blick ihrer Vorgesetzten blieb hart.

„Elfi! Versprich mir, dass das nicht wieder eins dieser sinnlosen Seminare ist!“

Ein Lächeln breitete sich auf Elfriedes Gesicht aus. „An diesem Seminar ist nichts normal. Vertrau mir!“ Sie klopfte auf das Dach des Taxis und ließ ihre ungläubig dreinblickende Angestellte davonfahren.

Jetzt stand Caleigh auf diesem Hügel, der sich am Ende eines endlosen Schotterwegs erhob und das Zuhause eines alten Gutshauses, klar geordneter Weinberge und dem Anfang des Pfälzer Waldes war.

Kurzum: Hier – an diesem ruhigen, idyllischen Ort – würde Caleigh verrückt werden. Elfriede hatte sie ins Schachmatt gezogen. Ohne ihre Arbeitsplätze, ohne ihre Schreibbücher und vor allem ohne ihre Highspeed-Internet, wie sollte sie da wieder Fuß fassen?

„Wie kann sie mir das antun?“, flüsterte Caleigh und hasste Elfriede in diesem Augenblick mehr als an dem Tag, an dem ihre Chefin entschieden hatte, ihr in den Rücken zu fallen.

Caleigh stapfte zornig über die kleinen Kieselsteine des Parkplatzes hinweg, öffnete den Kofferraum und zog ihre Reisetasche hervor. Elfriede hätte sich keine schlimmere Folter für sie ausdenken können: Irgendwo im Nirgendwo ein verlängertes Wochenende lang auf einem sinnbefreiten Seminar gefangen sein.

„Und sie sind sicher, dass ich hier richtig bin?“

„Das ist das einzige Weingut Lichtberg in der Pfalz, Liebes.“ Der alte Taxifahrer war hinter dem Steuer sitzen geblieben – er hatte es mit dem Kreuz.

„Na, dann …“ Sie seufzte leise, ehe sie sich auf den Weg machte. „Vielen Dank und gute Besserung für den Rücken.“

Der Pfälzer nickte ihr zu, schob sich die Brille auf der runden Nase zurecht und ließ sein Auto langsam davonrollen.

„Adieu.“ Traurig schaute sie ihm noch einen Augenblick lang nach. Da fuhr ihre letzte Möglichkeit der Flucht davon.

Caleigh graute es wirklich vor den nächsten Tagen, aber jammern half ihr an diesem Punkt nicht weiter: So oder so musste sie ihre Reisetasche den Weg zum Landhaus hinauftragen.

Doch gerade als sie den Pfad zu dem Efeu bewachsenen Anwesen begann, traf sie ein noch grauenvollerer Gedanke wie der Blitz: Sie zog ihr Smartphone aus der Hosentasche und gab schließlich einen erstickten Schrei von sich.

Kein Empfang!

„Bitte nicht!“

Hektisch zog sie mit dem Daumen die Infoleiste herunter. Kein Netz, kein Internet. Spätestens in diesem Moment wurde dieses Funkloch zu Caleighs persönlicher Hölle. Sie brauchte die Fähigkeit über weite Strecken zu kommunizieren wie ein Fisch das Wasser – wie sollte sie hier ihren Blog betreuen, ihre Seiten und Fan-Kontakte pflegen oder ihre beste Freundin Jenna erreichen?

Ein besorgter Blick zu dem alten Anwesen hinauf, bestärkte sie in der Angst, dass dort oben hinter den dicken Mauern aus hellrotem Pfälzer Sandstein sicher auch kein WLAN auf sie wartete.

„Bitte, lieber Gott, erbarme dich“, flüsterte sie, als sie Elfis Nummer wählte. „Bitte, bitte, bitte …“

Das ausbleibende Anruf-Tuten ließ einen Kloß in ihrem Hals entstehen, der sie zum Japsen brachte. Sie brauchte schnell Gewissheit und rannte förmlich zum Seminarhotel hinauf, um an der Rezeption Auskunft darüber zu bekommen, ob man hier wirklich derart abgeschnitten vom Rest der Welt war, wie es ihr in diesem Moment vorkam.

Kühle, frische Luft empfing sie, als sie in die Eingangshalle des Gutshauses hineinkam. Doch weder die wunderschönen, hohen Decken noch die ausgewählte Kunst an den Wänden fielen Caleigh auf – alles, was sie bemerkte, war die Stille. Das riesige Haus war erfüllt von absoluter Geräuschlosigkeit. Beklommen erschauerte sie. Hatte Elfi etwa nach einem Seminar gesucht, das sie um den Verstand bringen sollte?

„Hier werden sich sicher keine Blockaden lösen!“, fauchte Caleigh eine Winzerin aus Stein an, die in der Mitte der Eingangshalle auf einem Sockel stand und von Stolz erfüllt eine Rebe in die Höhe hielt.

An der Rezeption herrschte wie im Foyer zuvor gähnende Leere.

„Bin ich die einzige Teilnehmerin dieses verdammten Workshops?“

Elfi war alles zuzutrauen … Sie benutzt die kleine Klingel, die auf dem Tresen der Rezeption stand und wartete.

Als sich jedoch nach dreimaligem Betätigen immer noch nichts rührte, zückte Caleigh ihr Handy erneut und schickte den ersten Hilferuf des Tages hinaus:

 

Bitte, Elfi, lass mich nach Hause kommen. Ich verspreche auch, im Büro zu arbeiten! Meld dich – dieser Ort ist Warnung genug gewesen!

 

Die Meldung ‚Senden fehlgeschlagen‘ presste ihren Magen zusammen.

Jetzt nur nicht würgen, dachte sie. „Du findest einen Weg hinaus“, sprach sie sich selbst Mut zu und traf dann den Entschluss, die abhandengekommene Rezeptionistin suchen zu gehen. Ihr Gepäck konnte sie sicherlich einen Moment lang an diesem völlig verlassenen Ort stehen lassen.

Caleigh eilte durch die kunstbefüllten Gänge des Anwesens, bis sie irgendwann seltsame Geräusche vernahm. Entweder hatte da jemand wilden Sex oder eine Herde grunzender Wildschweine hatte sich in das Gutshaus verirrt. Schwungvoll stieß sie eine Tür auf, über der ein Schild mit der Aufschrift ‚Frühstück‘ prangte und trat in einen Essenssaal hinein, der von Alkoholgeruch geschwängert war.

Eine Gruppe von taumelnden Männern stand vor einem winzigen, altersschwachen Röhrenfernseher, der unter der Decke hing und krisselig ein Fußball Spiel zeigte. Leere Weinflaschen standen auf der Fensterbank und den Frühstückstischen und einige der Jungs hielten bereits neuen Wein in der Hand.

Gerade schien ein Spieler eine unsichtbare Linie passiert zu haben, denn plötzlich gaben die Männer wieder dieses urtümliche Grölen von sich, das Caleigh nur von brunftigen Hirschen kannte.

„Entschuldigung!“, rief sie gegen den Alkohol in der Luft und den quäkenden Röhrenfernseher an.

Keine Reaktion.

„Hey!“ Sie ging einen Schritt in den Frühstückssaal hinein. „Hallo!“

Einer der Jungs im Brunftrausch drehte sich zu ihr um: Ein blonder Lockenkopf mit strahlendem Lächeln. Er prostete ihr zu. „Hallo, hübsche Maid.“

Ah, ein Spaßvogel …, dachte Caleigh und fand sein filmreifes Lächeln spontan sympathisch.

Die betrunkene Art und Weise, mit der der Lockenkopf sie nun jedoch musterte, gefiel ihr überhaupt nicht. Da half ihm auch nicht weiter, dass Caleigh unter dem leichten, weißen Sommershirt muskulöse Arme und eine trainierte Brust erkannte. Trotzdem kam sie nicht umhin, die lässige Jeans, die dem Typen auf den schmalen Hüften gut stand, und die geschmackvollen Leder-Boots zu registrieren. Gegen Trunkenheit am Nachmittag hatte sie nicht generell etwas einzuwenden – immerhin hatte sie einige der besten Karnevalsgelage mit Jenna zusammen schon vormittags begonnen – aber gegen Typen, die sie derart selbstgefällig abscannten, hatte sie schon eine instinktive Abneigung …

„Ich will einchecken!“, rief sie dem Lockenkopf zu, der daraufhin noch erfreuter lächelte.

„Aber sicher, meine Schöne. Kannst gerne in mein Zimmer einchecken.“

Caleigh schenkte ihm eine ablehnende Grimasse. „Nein, danke. Ich will nur die Rezeptionistin.“

„Die ist auch hier“, meinte der blonde Schönling nun und tippte einem Kumpanen auf die Schulter, der wie der Rest der Meute immer noch gebannt auf den Bildschirm starrte. „He, Benny, da ist jemand für dich.“

Das hatte Caleigh gerade noch gefehlt. Benny schien sein Job nicht ganz so wichtig zu sein, denn als er sich umdrehte, schielte er sie sturzbetrunken aus schmalen Augen an. Was hatten die Typen hier getrieben? Und vor allem wie lange schon?

Caleigh marschierte zur Rezeption zurück. Sollte dieser Benny mal schön die Beine in die Hand nehmen, um ihr hinterher zu kommen.


 

Morgen treffen wir uns dann im zweiten Kapitel wieder.

Ich drücke euch und wünsche euch einen tollen 1. Advent.

 

Eure Lara